Gentrifizierung: Alte Probleme, alte Ansätze, neue Umsetzungen!

Vor einigen Tagen katapultierte mich ein visueller Reiz und ein Gedankenflash ca. 6 Jahre meines Lebens zurück. Ich sitze auf einem Stuhl mit einem angepassten Tisch in der letzten Reihe meines damaligen Gemeinschaftskundekurses, in der Oberstufe.

Hamburg – St. Pauli, ein Plattenbau am Spielbudenplatz, prädestiniert für Interessenskonflikte. Besser bekannt als die „Esso-Häuser“. Die mittlerweile abgerissenen Gebäude, die sanierungsbedürftig waren, sorgten für Furore. Für eine Sanierung der Häuser, gingen damals die Bewohner und Sympathisanten der Bauten auf die Straße. Es gründete sich 2010 eine Initiative, die keine Chance auf die Verhinderung der Räumung, wegen der Einsturzgefahr 2013, hatte. Für den Erhalt und gegen einen Neubau gingen mehrere hundert Demonstranten auf die Straße. (vgl. Initiative-Esso-Häuser 2015)

Genau in diesem Zusammenhang lässt sich ein Phänomen feststellen, welches in vielen deutschen Großstädten in sogenannten Szenevierteln Gang und Gebe ist. Die Gentrifizierung, „Aufwertung eines Stadtteils durch dessen Sanierung oder Umbau mit der Folge, dass die dort ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Bevölkerungsschichten verdrängt wird.” (Duden 2015)

Doch statt das die neuen Bauherrn dauerhaft und absolut stur auf Ihren Umsetzungsplänen beharren und wie typischerweise auf eine Partizipation der Anwohner und der Öffentlichkeit verzichten, gaben Sie der Bevölkerungsbewegung nach und berücksichtigten ihre Anliegen, das zu 50% Sozialbauwohnungen entstehen.

Das wirklich Innovative aber ist, dass es ein Beteiligungsverfahren der Bürger des Stadtteils geben soll und deren Vorschläge über Monate gesammelt werden sollen, um sie beim Neubau zu berücksichtigen. Das Projekt Planbude (vgl. Planbude 2015) wurde geboren. Es ist das erste Mal, dass ich höre bzw. lese und sehe, dass versucht wird, alle Stakeholder (Interessensgruppen) miteinander in Beziehung zu setzen, um ein möglichst maximalen sozialen Wert zu generieren, der punktuell auch den Investoren zu Gute kommen wird.

Sollte es wirklich gelingen, dass der St. Pauli Code, ein 7-Punkte-Plan (vgl. Planbude 2015), bei dem die Wünsche und Forderungen der Betroffenen berücksichtigt und umgesetzt wird, hoffe ich, dass es sich um eine Win-Win-Win-Situation handelt, von der wirklich alle profitieren.

Wobei es wahrscheinlich dennoch den einen oder anderen Einzelfall geben wird, dass ein früherer Bewohner nicht wieder in die Neubauten einziehen wird. Grund hierfür könnte ein zu hoher Mietpreis oder nicht die verringerte Kapazität sein. Dennoch wäre es eine zukunftsträchtige Lösung, alle Stakeholder (Interessensgruppen) an „einen Tisch“ zu bekommen, um sozial langfristige Lösungen zu finden. Damit wäre ein altes Problem, mit einem alten Ansatz und einer neuen Umsetzung bzw. eines zielgerichteten Stakeholder-Management, wirklich durch alle Beteiligten gelöst worden. Diese Stadteilveränderung, im Interesse der Bevölkerung, ist auf Querdenker zurückzuführen, dessen Engagement, ein Impuls setzte. Nun können die Betroffenen aktiv an den Entscheidungsprozessen teilhaben und konkret ihren Stadtteil mitgestalten.

Während ich auf meinem Platz in der letzten Reihe saß, hielt ich Gentrifizierung für einen klassischen Fall, wo es zu jeweils 50% Gewinner und Verlierer geben muss. Doch dieses Beispiel zeigt oder zumindest suggeriert es mir, dass durch ein solches Projekt durchaus mehr positives und somit ein größerer gesellschaftlicher Nutzen generiert werden kann. Es klingt für mich nach einer vernünftigen Lösung, die alle Interessen der an den „Esso- Häusern“ beteiligten Parteien sinnvoll berücksichtigt. Das Entscheidende aber ist, dass dieses PlanBuden-Konstrukt nicht nur auf die Gentrifikation in St. Pauli angewendet werden kann, sondern auch in ganz anderen Bereichen, sofern eine ähnliche Offenheit, Innovativität, Fairness und Partizipation besteht und somit langfristig zu einer wohl besseren Gesellschaft führen könnte.

 

Duden 2015: http://www.duden.de/rechtschreibung/Gentrifizierung Zugriff: 10.6.2015

PlanBude 2015: http://planbude.de Zugriff 10.06.2015

Initiative-Esso-Häuser 2015: http://www.initiative-esso-haeuser.de Zugriff: 10.6.2015